In diesem Jahr ging der mit 500 Euro dotierte Beginenpreis für herausragendes bürgerschaftliches Engagement an Rena Clara Junginger aus Kusterdingen. Die Studentin ist die jüngste unter den bisherigen Preisträgerinnen. Die feierlilche Übergabe des Preises fand am 10. Oktober im Tübinger Frauenprojektehaus in der Weberstraße im festlich geschmückten Café statt.
Nach der Begrüßung durch Ingrid Gerd überbrachte Dr. Susanne Omran, die Tübinger Beauftragte für Gleichstellung und Integration, Grüße der Stadt und gratulierte der Preisträgerin. Ingrid Schneider-Hofmann, Vorstandsmitglied der Stiftung, begründete, warum das Auswahlgremium sich für Rena Clara Junginger ausgesprochen hatte und interviewte sie anschließend.
Frau Junginger hatte sich schon in ihrer eigenen Schulzeit für andere Kinder eingesetzt, Förderunterricht für Lernschwächere gegeben und Jugendherbergswochenenden organisiert. Nach dem Abitur leistete sie ein freiwilliges soziales Jahr in einer Tageseinrichtung für Kinder und Jugendliche. In Verbindung mit einer Mentorinnenausbildung bei „Görls e.V.“ organisierte sie mehrfach eine Lesenacht für Mädchen und Frauen und brachte dadurch auch bisherige Nicht-Leserinnen dazu, öfter ein Buch zu lesen. Schließlich engagierte Frau Junginger sich auch politisch und kandidierte mit respektablem Stimmenerfolg auf der SPD-Liste für den Kusterdinger Gemeinderat. All dies befand die Jury der Auszeichnung wert.
Auch Monika Bormann, CDU-Landtagsabgeordnete aus Rottenburg, gratulierte der Preisträgerin, dankte ihr für ihr ehrenamtliches Engagement, das sie als unverzichtbar für das gesellschaftliche Zusammenleben bezeichnete und wünschte ihr weiterhin viel Kraft und Energie für ihre Vorhaben. Ihr anschließender Vortrag war ein intensives Plädoyer für eine Realisierung der Gleichstellung von Frauen und ihrer gleichberechtigten Teilhabe auf allen gesellschaftlichen Ebenen.
Frau Bormann erinnerte an einige Meilensteine auf dem mühsamen Weg zur formellen Gleichberechtigung der Frauen in Deutschland. Erst mit den BGB-Änderungen von 1957 und 1977 wurde Männern die Entscheidungshoheit über die Berufstätigkeit ihrer Ehefrauen und deren Einkommen und Vermögen genommen. Seither hat sich zwar einiges getan, auch die Förderung der Gleichstellung wurde ins Grundgesetz aufgenommen, aber Frauen sind sowohl in politischen Gremien wie in hohen Positionen immer noch deutlich unterrepräsentiert, in Europa noch stärker als z. B. in den USA. Beispiele: Im Europäischen Parlament und im Deutschen Bundestag beträgt der Frauenanteil heute ca. 30 Prozent, unter den CDU-Abgeordneten aus Baden-Württemberg gar nur 8 Prozent, im Landtag sind 24 Prozent und in den Kreistagen nur 16 Prozent der Abgeordneten weiblich. Die Mehrheit der Bevölkerung ist auch heute eine Minderheit in den politischen Ämtern. Auf lokaler Ebene z. B. zählen Geschlecht, Bekanntheit und beruflicher Status immer noch mehr als die Kompetenz der Kandidaten/innen und deren Ziel, Politik im Interesse von Männern UND Frauen zu betreiben. In vielen Zusammenhängen ist erwiesen, dass Frauen „gut“ sind; in Entwicklungsländern wirtschaften sie besser als Männer. Frau Bormann forderte, dass bei gleicher Kompetenz zugunsten der Frauen zu entscheiden sei und trat in dieser Form für eine Frauenquote ein.
Frau Bormann ging dann auf mögliche Gründe für die nach wie vor mangelnde faktische Gleichstellung von Mann und Frau sowie potenzielle Gegenmaßnahmen ein. Ein Komplex ist natürlich das überkommene Rollenbild. Einen wichtigen Schritt sieht Frau Bormann hier im Elterngeld, dass zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf beiträgt und zur Aufwertung der Erziehungsarbeit, indem es nur dann mit voller Dauer gezahlt wird, wenn auch der Vater eine familiäre Auszeit nimmt. Die Politik muss Grundvoraussetzungen für Wahlmöglichkeiten schaffen und dabei die unterschiedlichen Lebensphasen von Frauen berücksichtigen. Um die traditionellen Rollenbilder aufzubrechen, hat die Europäische Union das „Gender Mainstreaming“ Rahmenprogramm ins Leben gerufen. Gender Mainstreaming wurde 1997 als gleichstellungspolitische Strategie definiert (gender: soziales Geschlecht). Vor zehn Jahren wurde dazu ein Gesetz verabschiedet, dass alle Landesregierungen dieses Konzept umsetzen müssen. Bei dem Programm geht es nicht nur darum, dass Frauen ihre Sichtweise einbringen, sondern ebenso darum, dass Männer ihre Perspektive erweitern. Die Arbeitskultur soll sich von der herkömmlichen männlichen Orientierung fortentwickeln. In Deutschland gibt es bisher nur eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Förderung von Frauen in der freien Wirtschaft, während andere Länder erfolgreich Gesetze erlassen haben (z. B. Norwegen 2002). Weitere Punkte des Vortrages waren strukturelle Ungleichheiten und insbesondere auch niedrigere Bezahlungen ür Frauen.
Abschließend stellte Frau Bormann die Frage, in welcher Gesellschaft wir in Zukunft leben wollen. Gegenwärtig
– müssen Frauen mehr arbeiten als Männer, um denselben Lohn zu erhalten,
– gibt es viele Frauen mit Kindern, denen der Wiedereinstieg in den Beruf erschwert wird,
– engagieren sich Frauen mehr als Männer im sozialen Bereich, sind aber von entscheidenden Ämtern und Positionen ausgeschlossen.
Frau Bormann forderte dazu auf, gegen diese Situation etwas zu unternehmen und gesellschaftspolitische Neuerungen anzustoßen. „Geschlechtergerechtigkeit und Generationengerechtigkeit müssen ein Leitmotiv für alle politischen und gesellschaftlichen Bereiche sein. Unser Land braucht eine faire Ausgangslage für Frauen, damit eine gute gesellschaftliche Zukunft möglich ist!“
Das Duo „Cello & Cello“ sorgte für einen genussvollen musikalischen Rahmen der Preisverleihung.