Vergabe des Beginenpreises 2009 am 10. Oktober 2009

Beginenpreises 2009In diesem Jahr ging der mit 500 Euro dotierte Beginenpreis für herausragendes bürger­schaft­liches Engage­ment an Rena Clara Junginger aus Kuster­dingen. Die Studentin ist die jüngste unter den bisherigen Preis­trägerinnen. Die feier­lilche Über­gabe des Preises fand am 10. Oktober im Tübinger Frauen­­projektehaus in der Weber­straße im fest­lich geschmück­­ten Café statt.

Nach der Begrüßung durch Ingrid Gerd überbrachte Dr. Susanne Omran, die Tübinger Beauftragte für Gleich­stellung und Inte­gration, Grüße der Stadt und gratu­lierte der Preis­trägerin. Ingrid Schneider-Hofmann, Vorstands­mitglied der Stif­tung, begründete, warum das Auswahl­gremium sich für Rena Clara Junginger ausge­sprochen hatte und inter­viewte sie anschlie­ßend.

Frau Junginger hatte sich schon in ihrer eigenen Schul­zeit für andere Kinder einge­setzt, Förder­unter­richt für Lern­schwächere gegeben und Jugend­herbergs­wochen­enden organi­siert. Nach dem Abitur leistete sie ein frei­williges soziales Jahr in einer Tages­ein­richtung für Kinder und Jugend­liche. In Verbindung mit einer Mentorinnen­ausbildung bei „Görls e.V.“ organi­sierte sie mehr­fach eine Lesenacht für Mädchen und Frauen und brachte dadurch auch bis­herige Nicht-Leserinnen dazu, öfter ein Buch zu lesen. Schließ­lich engagierte Frau Junginger sich auch poli­tisch und kandi­dierte mit respek­tablem Stimmen­erfolg auf der SPD-Liste für den Kuster­dinger Gemeinde­rat. All dies befand die Jury der Aus­zeichnung wert.

Ingrid Gerth – Dr. Susanne Omran – Ingrid Schneider-Hofmann und Rena Clara Junginger

Auch Monika Bormann, CDU-Landtagsabgeordnete aus Rotten­burg, gratulierte der Preis­trägerin, dankte ihr für ihr ehren­amt­liches Engage­ment, das sie als unver­zichtbar für das gesell­schaft­liche Zusammen­leben bezeich­nete und wünschte ihr weiter­hin viel Kraft und Energie für ihre Vorhaben. Ihr anschließen­der Vortrag war ein inten­sives Plädoyer für eine Realisierung der Gleich­stellung von Frauen und ihrer gleic­hberechtigten Teil­habe auf allen gesell­schaft­lichen Ebenen.

Beginenpreis 2009Frau Bormann erinnerte an einige Meilen­steine auf dem müh­samen Weg zur for­mellen Gleich­berech­tigung der Frauen in Deutsch­land. Erst mit den BGB-Änderungen von 1957 und 1977 wurde Männern die Ent­scheidungs­hoheit über die Berufs­tätigkeit ihrer Ehefrauen und deren Einkommen und Vermögen genommen. Seither hat sich zwar einiges getan, auch die Förderung der Gleich­stellung wurde ins Grund­gesetz aufgenommen, aber Frauen sind sowohl in politi­schen Gremien wie in hohen Positionen immer noch deutlich unter­repräsentiert, in Europa noch stärker als z. B. in den USA. Beispiele: Im Europäischen Parlament und im Deutschen Bundes­tag beträgt der Frauen­anteil heute ca. 30 Prozent, unter den CDU-Abgeordneten aus Baden-Württemberg gar nur 8 Prozent, im Landtag sind 24 Prozent und in den Kreis­tagen nur 16 Prozent der Abgeord­neten weiblich. Die Mehrheit der Bevölkerung ist auch heute eine Minder­heit in den politischen Ämtern. Auf lokaler Ebene z. B. zählen Geschlecht, Bekannt­heit und beruf­licher Status immer noch mehr als die Kompetenz der Kandidaten/innen und deren Ziel, Politik im Interesse von Männern UND Frauen zu betreiben. In vielen Zusammen­hängen ist erwiesen, dass Frauen „gut“ sind; in Entwicklungs­ländern wirt­schaften sie besser als Männer. Frau Bormann forderte, dass bei gleicher Kompetenz zugunsten der Frauen zu entscheiden sei und trat in dieser Form für eine Frauen­quote ein.

Frau Bormann ging dann auf mögliche Gründe für die nach wie vor mangelnde faktische Gleich­stellung von Mann und Frau sowie potenzielle Gegen­maß­nahmen ein. Ein Komplex ist natürlich das über­kommene Rollenbild. Einen wichtigen Schritt sieht Frau Bormann hier im Elterngeld, dass zur Verbesserung der Verein­barkeit von Familie und Beruf beiträgt und zur Auf­wertung der Erziehungs­arbeit, indem es nur dann mit voller Dauer gezahlt wird, wenn auch der Vater eine familiäre Auszeit nimmt. Die Politik muss Grund­voraus­setzungen für Wahl­möglich­keiten schaffen und dabei die unter­schied­lichen Lebens­phasen von Frauen berück­sichtigen. Um die tradi­tionellen Rollen­bilder aufzu­brechen, hat die Europäische Union das „Gender Mainstreaming“ Rahmen­programm ins Leben gerufen. Gender Mainstreaming wurde 1997 als gleich­stellungs­politische Strategie definiert (gender: soziales Geschlecht). Vor zehn Jahren wurde dazu ein Gesetz verabschiedet, dass alle Landes­regierungen dieses Konzept umsetzen müssen. Bei dem Programm geht es nicht nur darum, dass Frauen ihre Sicht­weise ein­bringen, sondern ebenso darum, dass Männer ihre Perspektive erweitern. Die Arbeits­kultur soll sich von der herkömm­lichen männ­lichen Orientierung fortent­wickeln. In Deutschland gibt es bisher nur eine frei­willige Selbst­ver­pflichtung zur Förderung von Frauen in der freien Wirtschaft, während andere Länder erfolg­reich Gesetze erlassen haben (z. B. Norwegen 2002). Weitere Punkte des Vortrages waren struktu­relle Ungleich­heiten und insbesondere auch niedrigere Bezahlungen ür Frauen.

Abschließend stellte Frau Bormann die Frage, in welcher Gesell­schaft wir in Zukunft leben wollen. Gegenwärtig
– müssen Frauen mehr arbeiten als Männer, um denselben Lohn zu erhalten,
– gibt es viele Frauen mit Kindern, denen der Wieder­einstieg in den Beruf erschwert wird,
– engagieren sich Frauen mehr als Männer im sozialen Bereich, sind aber von entschei­denden Ämtern und Positionen ausge­schlossen.
Frau Bormann forderte dazu auf, gegen diese Situation etwas zu unter­nehmen und gesell­schafts­politische Neuerungen anzu­stoßen. „Geschlechter­gerechtigkeit und Genera­tionen­gerechtig­keit müssen ein Leit­motiv für alle politischen und gesell­schaft­lichen Bereiche sein. Unser Land braucht eine faire Ausgangs­lage für Frauen, damit eine gute gesell­schaft­liche Zukunft möglich ist!“

Das Duo „Cello & Cello“ sorgte für einen genussvollen musikalischen Rahmen der Preisverleihung.