Entgegen des ursprünglichen Plans konnte die Veranstaltung nicht gänzlich in der Mauerstraße stattfinden: der Platz hätte einfach nicht ausgereicht! So wurde der „offizielle“ Teil am Vormittag in den Saal im Salzstadel verlegt (einer der Vorteile unserer Wohnlage am Rand der Altstadt: es sind nur ein paar Schritte. Und das Wetter hat auch mitgespielt). Die Moderation der Veranstaltung hatte Ingrid Schneider-Hofmann, die langjährige stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Beginenstiftung, übernommen.
Das erste Grußwort sprach Oberbürgermeister Boris Palmer, der Stiftung und Hausverein zur Realisierung des Hauses beglückwünschte und an den Beitrag der Stadt, den Verkauf des Hauses in der Mauerstraße durch die GWG erinnerte. Er betonte, mehr habe die Stadt, obwohl sie das Projekt begrüßt habe, nicht tun können, da die Mittel begrenzt seien und von vielen Seiten Wünsche nach Unterstützung an die Stadt herangetragen würden. Immerhin habe die Stadt nicht versucht auf dem freien Markt einen Höchstpreis für Haus und Grundstück zu erzielen. Angesichts des demographischen Wandels müsse auch die Stadt ein Interesse daran haben ihren Bürgern möglichst lang Mobilität und Lebensqualität zu ermöglichen, die dazugekommenen Lebensjahre sinnvoll zu erleben.
Irmtraud Ruder, Vorsitzende des Dachverbandes der Beginen, Stiftungsrätin der Beginenstiftung und Mitbegründerin des Beginenhofes Schwerte, erinnerte an die Neugründung der modernen Beginenbewegung ab den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts und verwies auf die Notwendigkeit öffentlicher Unterstützung weiterer Projekte angesichts sich wandelnder gesellschaftlicher Bedingungen.
Anschließend sprach Dieter Hackler, Leiter der Abteilung „Ältere Menschen, Wohlfahrtspflege, Engagementpolitik“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, zum Thema „Gemeinschaftliches Wohnen aus der Sicht des Bundes“. Er betonte, gemeinschaftliche Wohnprojekte beträfen nicht nur die Bewohner, sondern wirkten auch ins Umfeld. Seine Abteilung erhalte ungezählte Anfragen und Anträge auf Unterstützung, längst nicht allen könne man nachkommen. Das Projekt der Beginenstiftung, vorgestellt und vertreten durch Ingrid Gerth, habe so schlüssig und durchstrukturiert gewirkt, Frau Gerth selbst einen so entschlossenen und durchsetzungsfähigen Eindruck gemacht („die schafft das!!“), dass man sich zur finanziellen Unterstützung entschlossen habe. Das Ergebnis hat diese Einschätzung bestätigt!
In Anschluss daran berichtete Ingrid Gerth selbst von der Gründung der Stiftung, dem Gedanken des gemeinschaftlichen Wohnens für Frauen angesichts des gesellschaftlichen Wandels und den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft mit einem hohen Anteil allein lebender Frauen. Leitgedanke war und ist die Schaffung eines sicheren Umfeldes, Sicherheit vor Kündigung wegen Spekulation und Gewinnorientierung, Lebensmöglichkeit in Gemeinschaft, Selbstbestimmung und Solidarität.
Sie erinnerte an wichtige Stationen bei der Planung des Projektes, an Erfreuliches, aber auch an Schwierigkeiten und Rückschläge in den Jahren der Durchführung bis heute. Sie berichtete auch lebendig und anschaulich von der Entstehung der Projektgruppe von den Anfängen – wechselnden Menschen und Ideen – bis zur jetzigen Gestalt und Zusammensetzung der Gruppe.
Architekt Dietmar Wiehl erläuterte verständlich die Gegebenheiten von Haus und Grundstück, sowie die sich daraus ergebenden Überraschungen und Schwierigkeiten vor Beginn und vor allem während der Bauzeit.
Den Festvortrag „Die Zukunft des gemeinschaftlichen Wohnens“ hielt Dr. Kirsten Mensch, wissenschaftliche Referentin der Schader-Stiftung und Stiftungsrätin der Beginenstiftung.
Die musikalische Gestaltung hatte das Tübinger Blockflötenensemble „Consortino“, eine Gruppe von 7 Frauen zwischen 42 und 80 Jahren, unter Leitung von Clara Dederke übernommen – als „Einzugsgeschenk“ an Hausgemeinschaft und Gäste. Gespielt wurden neben Eingangs- und Schlusskomposition zeitgenössischer Komponisten eine Psalmvertonung („Unser Leben währet 70 Jahr“) aus dem 16. Jahrhundert und eine Jagdkomposition von Telemann für vier Bass-Stimmen.
Anschließend ging es in unser Haus in der Mauerstraße. Bei einem liebevoll angerichteten kalten Buffet kam es zu angeregten Gesprächen. In mehreren Gruppen besichtigten die zahlreichen Besucher unser Haus und zeigten sich angetan von den Baulichkeiten und der schönen Ausgestaltung der Räume. Besonders das restaurierte Treppenhaus fand viel Anklang. Erstaunen erregte die großzügige Wirkung im Inneren des Hauses, die man bei der doch recht kompakten Außenansicht kaum vermutet.
Am Nachmittag folgte der eher „familiäre“ Teil der Einweihung. Die Hausgemeinschaft hatte die Freundeskreismitglieder zu einem Nachmittag mit Kaffee und Kuchen samt Hausbesichtigung eingeladen, als Dank für die jahrelange Hilfe und Unterstützung. Zu unserer Freude wurde die Einladung in hohem Maß angenommen. Fast 40 Leute drängten sich in unserem Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss. Trotz der Enge fanden alle einen Platz.
Hausbewohnerinnen berichteten über die Entstehung des Hauses, das Zusammenfinden der Gruppe, anfängliche und noch bestehende Schwierigkeiten und Widrigkeiten sowie über das Zusammenleben im Haus. Es ist klar: Niemand bereut den Entschluss, hierher zu ziehen!
Deutlich gemacht wurde auch, wie vielen Menschen wir zu Dank verpflichtet sind: Ingrid Gerth, ohne deren Ideen, Zähigkeit und Durchhaltevermögen es das Haus nicht gäbe, Herrn Wiehl, der mit uns geduldig und umsichtig die Bauzeit bewältigt hat, den Handwerkern, die unsere Wünsche nach Kräften umgesetzt haben (mit den anderen streiten wir uns noch!), den Mitgliedern des Stiftungsrats und nicht zuletzt dem Freundeskreis und vielen ehrenamtlichen HelferInnen.
Auch am Nachmittag fanden die Hausführungen in kleinen Gruppen reges Interesse. Wir haben uns bemüht, alle Fragen zu beantworten. Einen Höhepunkt des Nachmittags bildete die Aufführung des Stücks von „An allem ist die Katze schuld“ (ein Stück für 4 Personen und Vorhang) durch das Frauenensemble „Purpur“, zu dem auch zwei der Hausbewohnerinnen gehören. Trotz der Enge fanden am Ende des Stücks vier Theaterleichen auf dem Fußboden des Gemeinschaftsraumes Platz!
Als Geschenk des Dachverbandes der Beginen überreichte Irmtraud Ruder einen Gutschein für eine Magnolie (alle Beginenhäuser und -höfe haben eine). Wir überlegen noch, wo wir sie in unserem Minigarten am günstigsten unterbringen können. Aus unserer Sicht war es ein gelungener Tag, der bei allen Besuchern großen Anklang gefunden hat.
Für die Hausgemeinschaft endete der Tag mit einem Haussegen mit Frau Pfarrerin Elke Maihöfer, der wir für ihre Bereitschaft dazu ganz herzlich danken.
Waltraud Wipper