In diesem Jahr wurde zum 9. Mal der mit 500 Euro dotierte Beginenpreis verliehen. Er ging an die Frauen von BAF e. V., dem Bildungszentrum und Archiv zur Frauengeschichte Baden-Württembergs in Tübingen.
Stiftungsrätin Susanna Hirzler begrüßte die etwa 40 Gäste bei der Festveranstaltung in der „Achtbar“ des Tübinger Frauenprojektehauses im Namen der Beginenstiftung und sprach den Dank der Stiftung aus an alle, die uns im vergangenen Jahr auf unterschiedliche Weise bestärkt und unterstützt haben.
Stiftungsrätin Cordula Schmidt-Körner begründete die Auswahl der Preisträgerinnen und würdigte ihre langjährige verdienstvolle Arbeit:
Zur Zeit der Gründung von BAF im Jahr 1987 war die Beschäftigung mit Frauengeschichte noch längst keine Selbstverständlichkeit. BAF hat sich zum Ziel gesetzt, Frauengeschichte – vorrangig im regionalen Rahmen Baden-Württembergs – zu erforschen, zu dokumentieren und sichtbar zu machen. Von Anfang an ging es darum, geschichtsinteressierten Frauen eine Plattform zu bieten, Möglichkeiten zu schaffen, sich mit ihrer Geschichte und Gegenwart auseinanderzusetzen und durch Geschichtsbewusstsein Selbstbewusstsein zu vermitteln.
BAF besitzt ein umfangreiches Archiv zur historischen und zeitgenössischen Frauengeschichte, eine Bibliothek, fördert Forschungsprojekte und Publikationen, vermittelt Referentinnen, organisiert Seminare und Ausstellungen, bietet Lesungen, Erzählcafes und frauengeschichtliche Stadtrundgänge durch Tübingen für Einheimische und Touristen an.
Der weitaus größte Teil der Arbeit wird ehrenamtlich geleistet (es gibt lediglich eine bezahlte Halbtagsbürostelle), die Finanzierung erfolgt fast ausschließlich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge.
Nach der Übergabe des Preisgeldes an fünf BAF-Vertreterinnen dankte Elke Lang im Namen aller und berichtete von Plänen, Wünschen aber auch Sorgen für die Zukunft: Vorrangig ist die Finanznot des Vereins; vermehrte öffentliche Unterstützung und eine Vergrößerung der Mitgliederzahl – etwa zur Finanzierung einer weiteren halben oder ganzen Stelle – wären dringend von Nöten. Darüber hinaus stellt sich die Frage der Nachfolge: Sehr viele Mitglieder sind seit vielen Jahren dabei, die Gewinnung neuer ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen ist ein wichtiges Anliegen.
Festvortrag über Mathilde Weber
Der nachfolgende Festvortrag – verfasst von Bea Dörr, die leider verhindert war – wurde von Margarete Kollmar vorgetragen. Unter dem Titel Mathilde Weber (1829–1901), viel mehr als nur „Wohlthäterin der Stadt“: Auf den Spuren der ersten Tübinger Feministin vermittelte sie den ZuhörerInnen ein lebendiges, eindrucksvolles Bild einer faszinierenden Frau, die Probleme ihrer Zeit erkannte, mutig und tatkräftig nach Lösungen suchte, aber sicher auch aneckte und provozierte.
Mathilde Weber wuchs auf einem Gut in der Nähe von Ellwangen auf und kam schon in jungen Jahren nach Tübingen. Ihre Eltern vermittelten ihr eine ausgezeichnete Bildung, als Frau war ihr aber der Zugang zu Hochschule und Studium verwehrt. Nach ihrer Heirat lebte sie zunächst auf dem Bläsiberg, danach viele Jahrzehnte in der Neckarhalde. Ihre Ehe blieb kinderlos.
Bald wurde sie auf das Elend in der Tübinger Unterstadt aufmerksam. Sie setzte sich ein für ausgebeutete Dienstmädchen, gründete einen Freizeitverein für Unterschichtmädchen, gründete mit dem Weberstift das erste private Wohnprojekt für alleinstehende Frauen und deren Kinder. Später kamen weitere Häuser hinzu. Umtriebig sammelte sie Geld ein: Professoren spendeten Honorare, „Gerümpelversteigerungen“ wurden im Rathaus veranstaltet.
Mathilde Weber sah deutlich, dass den Missständen nicht allein durch Wohltätigkeit und Almosen, sondern durch veränderte Lebensbedingungen begegnet werden musste. Bildung hielt sie für genauso wichtig wie materielle Hilfe. So forderte sie neben menschenwürdiger Behandlung und Unterstützung auch Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen und Mädchen, nicht nur der Unterschicht, sondern auch für Frauen des Bürgertums, so das Recht auf bezahlte Arbeit. Sie gründete zahlreiche Vereine, Schulen und Ausbildungsstätten mit unterschiedlicher Zielsetzung: Kleinkinderschule, Nähverein, Industrieschule, Krankenpflegeverein, Frauenarbeitsschule, Verein für bürgerliche Frauen, Frauenarmenverein… Ihr Bemühen richtete sich – gemäß der Vorstellung ihrer Zeit – auf die „unverschuldet Armen“.
Auch auf kulturellem Gebiet war Mathilde Weber aktiv. Das 1887 eingeweihte Denkmal für Ottilie Wildermuth („von deutschen Frauen gestiftet“) entstand durch ihre Initiative.
Weiterhin forderte sie die Öffnung des Medizinstudiums für Frauen und unterstützte die erste Tübinger Studentin Maria von Linden.
Schon bald kam Mathilde Weber im Rahmen ihrer Arbeit mit überregionalen Fraueninitiativen in Kontakt. Sie besuchte „frauenpolitische Kongresse“, war aktiv in der ersten deutschen Frauenbewegung, reiste viel, wurde eine gefragte Rednerin und hielt Vorträge über Frauenfragen und Bildungspolitik. Über ihre Reisen, die sie bis nach Istanbul führten, schrieb sie Berichte, in denen sie sich mit sozialen Missständen und kulturellen Unterschieden auseinandersetzte, dabei aber nie aus den Augen verlor, dass in allen Teilen der Welt sich die Frauen ihr Leben noch weitgehend „vom andersgearteten Theil der Menschheit vorschreiben lassen“.
Überregional hoch geachtet, wurde sie in der heimischen Provinz teilweise durchaus kritisch betrachtet. Obwohl sie dem gemäßigten Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung angehörte, wurde ihr soziales Engagement weit mehr als ihr politisches Wirken anerkannt und geschätzt.
1901 starb die „Wohltäterin der Stadt“ und wurde auf dem Stadtfriedhof bestattet. Ihr Grab existiert nicht mehr. Es wurde in den 60er Jahren eingeebnet.
Kurzbericht zum neuen Beginenhaus
Am Ende der Veranstaltung informierte Waltraud Wipper von der Projektgruppe Beginenhaus Mauerstraße über den derzeitigen Stand: Die Bauarbeiten sind in vollem Gang. Die Gruppe ist vollzählig und umfaßt sieben Frauen. Leider sind die Baukosten gestiegen. Vieles, was wünschenswert und geplant ist, kann zurzeit nicht verwirklicht werden und muß auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Der Einzug ist zum 1.11.2012 geplant.
Am 22.9. besteht im Rahmen der bundesweiten „Tage des Offenen Wohnprojekts“, an dem wir uns beteiligen, die Möglichkeit, das Haus zu besichtigen, wozu die Projektgruppe herzlich einlädt.
Ein herzlichen Dankeschön …
Die musikalische Gestaltung hatte auch in diesem Jahr wieder das Bläserquintett der Musikschule unter der Leitung von Peter Hoefs übernommen, wofür wir herzlich danken. Unser Dank gilt weiterhin allen, die es durch ihre Arbeit, ihr Engagement und ihre Beteiligung ermöglicht haben, dass diese Preisverleihung in so schöner und angenehmer Atmosphäre stattfinden konnte. Die Fotos zeigen links Musikerinnen und rechts die HelferInnen des Tages.