Zehn Frauen hörten unserem Ehrengast, Alma Hämmerle, sehr aufmerksam zu, als sie über ihre persönlichen Erfahrungen mit Pflege und Depression berichtete.
Alma Hämmerle, 85 Jahre, stammt aus Ostpreußen, hat am Ende des 2. Weltkrieges die Flucht mitgemacht und in Tübingen eine neue Heimat gefunden. Hier hat sie sich große Verdienste mit dem Aufbau der Tübinger Altenarbeit erworben. Sie war viele Jahre Vorsitzende des Stadt- wie der Kreisseniorenrates.
Vor kurzem verstarb ihr Mann nach längerer Erkrankung. Sie hat ihn bis kurz vor seinem Tod gepflegt und war damit zeitweise überfordert, so dass sie selber krank wurde. Noch schlimmer aber war das Loch, in das sie nach seinem Tod fiel. Zunächst wurde sie von Angehörigen ihres sehr großen Bekanntenkreises angerufen, aber weil sie zunächst nicht in der Lage war, auf die Hilfsangebote einzugehen, kamen bald keine Anrufe mehr. Statt dessen kam die Einsamkeit und mit ihr eine depressive Verstimmung. „Ich habe mich selbst nicht wieder erkannt. Ich verstehe jetzt Frauen viel besser, die schüchtern sind und sich nichts mehr zutrauen. Man braucht Menschen, die einen da heraus reißen!“
Alma Hämmerle hat Glück gehabt. Es gibt diese Menschen, die bei ihr klingeln und sie mitnehmen zu einem Waldlauf oder zu einer Veranstaltung. Und sie ist dabei, sich ein neues Tätigkeitsfeld zu erschließen. „Früher war ich der ‚Sozialfuzzi‘; jetzt interessiere ich mich für Kultur.“ Begeistert erzählt sie von einer Aufführung des Melchinger Lindenhof-Theaters. Noch muss sie sich zu jeder Unternehmung aufraffen, aber sie hat neuen Lebensmut und Lebenssinn gefunden.
Ihr Bericht löste eine lebhafte Diskussion bei den Frauen aus, mit weiteren Beispielen gelungener Überwindung von Schicksalsschlägen. ‚Jemand muss einen aus dem Loch heraus holen; allein schafft man es nicht‘; das war für mich die zentrale Aussage von Alma Hämmerles Bericht. In einem Beginenhaus sind alle Voraussetzungen gegeben, dass in solch einem Fall geholfen wird.
Ingrid Gerth